Samenfestes Saatgut: Warum seine Verwendung im Garten den Erhalt unserer Nutzpflanzen sichert

Saatgut in großen Papiertüten
Bio-Saatgut [©Rawpixel Ltd.]/stock.adobe.com

Bei dem Saatgut, das in Gärten und in der Landwirtschaft verwendet wird, handelt es sich zum größten Teil um F1-Hybridsorten. Die ursprüngliche Gemüsevielfalt wurde durch diese weitgehend verdrängt und geht deshalb immer mehr verloren. Nicht nur das. Mit dem Verlust alt bewährter Kultursorten verschwindet auch die genetische Vielfalt von Gemüse & Co. – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für den zukünftigen Erhalt unserer Nutzpflanzen. Immer mehr Leute verzichten daher in ihrem Garten auf Hybridsorten und verwenden stattdessen sogenanntes „samenfestes Saatgut“. Mehr dazu und warum sich F1-Hybriden für die Pflanzenvermehrung im Garten nicht eignen, erfährst du hier auf Botanik Guide.

Wenn sich Gemüsesorten nicht mehr durch Samen vermehren lassen …

Wem ist es nicht schon einmal bei der Vermehrung von Gemüse passiert? Die Saat im Frühjahr hat eine üppige Gemüseernte hervorgebracht. Einige der Sorten haben sich als besonders lecker und ertragreich erwiesen und dürfen deshalb in der nächsten Saison auf keinen Fall fehlen. Statt neues Saatgut von den Lieblingssorten zu kaufen, liegt es nahe, diese einfach selbst durch Samen zu vermehren. Doch nicht selten gibt es im nächsten Gartenjahr eine nicht ganz so schöne Überraschung.

Gemüseernte
Üppige Gemüseernte [©vaivirga]/stock.adobe.com

Die Tomatensorte, die in der letzten Saison herrlich aromatische Früchte trug, schmeckt fad. Die einst saftigen Zucchini sind bitter und ungenießbar. In diesem Jahr hat das Gemüse, das aus dem selbst gewonnenen Saatgut vermehrt wurde, plötzlich ganz andere Eigenschaften als im Vorjahr. Und nicht nur das, auch beim Ertrag und der Fruchtgröße gibt es erhebliche Abweichungen. Das gleiche Phänomen lässt sich teilweise auch bei Saatgut beobachten, das von gekauften Gemüsepflanzen gewonnen wurde.

Enttäuscht über die seltsame Ernte, fragen sich viele, was wohl die Ursache dafür sein mag. Sollten nicht, wie in der Natur üblich, immer die gleichen Gemüsepflanzen aus den Samen hervorgehen? Schließlich haben die Nachkommen aller Wildpflanzen, mit Ausnahme von seltenen Mutationen, stets die Eigenschaften ihrer Eltern. Wieso ist das bei Gemüse häufig anders? Die Lösung für das Rätsel ist ein Kennzeichen auf der Saatgut-Verpackung, das auf den ersten Blick eher unbedeutend wirkt und oft zu wenig Beachtung findet: der F1-Hybrid.

Was ist ein F1-Hybrid?

Bei einem Großteil des angebotenen Gemüsesaatguts handelt es sich um F1-Hyrbriden. Vereinfacht gesagt sind F1-Hybriden Kreuzungen aus zwei verschiedenen reinerbigen Sorten, mit denen es Züchtern gelingt, deren positiven Eigenschaften in einer Pflanzensorte zu vereinen.

In der F1-Generation haben alle Pflanzen die gleichen Merkmale

Nehmen wir an, ein Pflanzenzüchter hat z. B. eine Tomatensorte mit ungewöhnlich großen Früchten herangezogen. Im Garten erweist sich diese jedoch als anfällig für die gefürchtete Braunfäule. Um die Tomatenpflanze widerstandsfähiger gegen die Krankheit zu machen, wird sie mit einer anderen, von Natur aus resistenten Sorte, gekreuzt. Im Idealfall entsteht aus dieser Kreuzung eine neue Sorte (F1-Hybrid), die große Früchte bildet und gleichzeitig eine gute Resistenz gegen die typische Tomatenkrankheit hat. Diese Merkmale treten aber nur in der ersten Generation (F1) der Nachkommen von beiden gekreuzten Sorten einheitlich auf.

Die F2-Generation bringt eine bunte Mischung

Versucht man, die F1-Hybriden durch Samen zu vermehren, entsteht daraus genetisch bedingt eine F2-Generation, in der Tomatenpflanzen mit unterschiedlichen Merkmalen vertreten sind. Der Grund: F1-Hybriden sind mischerbig. Das bedeutet, sie besitzen alle die gleichen Erbanlagen ihrer reinerbigen Eltern. Nach der Spaltungsregel der Mendelschen Vererbungslehre kommen alle positiven wie auch ungünstigen Merkmale der Elternpflanzen in der F2-Generation in unterschiedlicher Ausprägung wieder zum Vorschein. Aus diesem Grund eignet sich Saatgut von F1-Hybridsorten nicht zur Vermehrung von Gemüse.

Wer Gemüse aus seinem Garten durch Samen vermehren möchte, muss dafür sogenanntes „samenfestes Saatgut“ verwenden. Als „samenfest“ werden Sorten bezeichnet, die ihre Eigenschaften immer an die nächste Generation weitergeben, sodass eine Vermehrung durch Samen dauerhaft möglich ist. Die Frage ist, warum sind Hybridsorten im Gemüseanbau so weit verbreitet? – Schließlich könnte man ja auch einfach robuste samenfeste Sorten züchten, statt Saatgut zu produzieren, dass sich nicht vermehren lässt.

Hybridsorten haben für den Gemüseanbau Vorteile – aber auch Nachteile

F1-Hybridsorten kommen im Garten als auch in der Landwirtschaft zum Einsatz. Insbesondere der Erwerbsanbau profitiert von diesen Hochleistungssorten, da sie auf Eigenschaften wie hohe gleichmäßige Erträge und Resistenz sowie gute Lager- und Transportfähigkeit optimiert sind. Durch die möglichst zeitgleiche Reifung des Gemüses lassen sich zudem Erntetermine zuverlässig planen.

Gurkenernte auf dem Feld
Gurkenernte auf dem Feld [©Dusan Kostic]/stock.adobe.com

Klingt soweit gut, doch neben diesen Vorteilen haben Hybridsorten auch Nachteile. Da eine Vermehrung nicht ohne weiteres möglich ist, muss man das Saatgut jedes Jahr neu kaufen. Das ist vor allem problematisch, wenn der Garten zur Selbstversorgung dienen soll. Viele Hybriden bringen meist nur unter optimalen Bedingungen hohe Erträge, die sich im eigenen Garten nicht immer umsetzen lassen. Zumal diese weniger gut an regionale Klimabedingungen angepasst sind. Durch die starke züchterische Bearbeitung können auch viele Hochleistungssorten irgendwann anfällig für Krankheiten und Schädlinge werden.

Durch die Hybridzüchtungen geht unsere altbewährte Gemüsevielfalt verloren

Der größte Nachteil ist, dass mit dem überwiegenden Einsatz von F1-Hybridsaatgut ein großer Teil der Geschmacks- und Sortenvielfalt unserer Gemüsearten inzwischen verloren geht. Als Hochleistungssorten dominieren Hybride heute das Sortiment, während alte bewährte Gemüsesorten zunehmend in Vergessenheit geraten und für immer verschwinden.

Lila Blumenkohl
Blumenkohl kennt man nur in weiß, es gibt aber auch lilafarbene Sorten [©Photobeps]/stock.adobe.com

Schätzungsweise sind bereits etwa 75 % der Gemüse- als auch Obstsorten, die noch vor 100 Jahren auf unseren Tellern landeten, entweder verschollen oder ausgestorben. Gemüsesorten, die wir aus Omas Garten kennen und dem Lieblingsgericht seinen unvergesslichen Geschmack verliehen, sucht man im Supermarkt vergeblich. Sie wurden alle durch moderne Hybridsorten ersetzt, bei denen die Aromen bei der Zucht zugunsten anderer Eigenschaften meist auf der Strecke blieben. Das ist auch der Grund, warum es z. B. nicht gelingen kann, Tomaten oder Paprika vom Supermarkt aus Samen zu vermehren.

Bunter Mais
Der einheitlich gelbe Mais hat je nach Sorte sehr bunte Körner [©GoodMoodPhoto]/stock.adobe.com

Früher war die Gewinnung von Saatgut vor allem die Aufgabe von Bauern und Gärtnern, bei denen neben anderen wichtigen Merkmalen auch der Geschmack von Gemüse & Co. eine größere Rolle spielte. Auf diese Weise entstand eine bunte Vielfalt an Regionalsorten. Seitdem unser Gemüse ab den 1950ern für den Handel optimiert wird, hat sich die einst große Auswahl an verfügbaren Gemüsevariationen bis auf eine überschaubare Anzahl stark verkleinert. Nicht nur das. Durch die Züchtung auf Höchsterträge hat sich auch die genetische Vielfalt heutiger Gemüsesorten reduziert.

Gelbe Sorte der Roten Beete
Wer kennt heute eigentlich noch Gelbe Beete? [©vaivirga]/stock.adobe.com

Der Erhalt alter und samenfester Gemüsesorten ist wertvoll für die Zukunft

Wie wichtig der Erhalt der genetischen Vielfalt bei Nutzpflanzen ist, zeigt sich gerade bei einer äußerst beliebten Obstart – der Banane. Kaum zu glauben, aber diese könnte bald aus unserem Speiseplan verschwinden. Große Probleme macht ein Pilz, bekannt als TR4, der weltweit Bananenplantagen vernichtet und das Milliardengeschäft einer ganzen Industrie gefährdet. Der gefürchtete Pilz ist kaum zu stoppen und verbreitet sich unaufhaltsam. Besonders dramatisch: Für den Welthandel gibt es nur eine einzige etablierte Bananensorte, namens ‚Cavendish‘, die nun massiv befallen wird. Bei dieser Sorte handelt sich um den Klon einer Bananenstaude, der in den 1950ern die Sorte ‚Gros Michel‘ verdrängte, da sie resistenter gegen einen Pilzbefall war, der schon damals Probleme bereitete.

Forscher suchen deshalb jetzt fieberhaft nach einem Ersatz für die beliebte Sorte. Ob es gelingen wird, ist zurzeit noch fraglich. Das Ende der Banane hätte jedoch weitreichende Folgen, da sie in der Karibik und in Mittelamerika vor allem für die ärmere Bevölkerung ein wichtiges Grundnahrungsmittel ist. Der Wegfall der Plantagen gefährdet außerdem Arbeitsplätze, sodass viele Bauern um ihre Existenz bangen.

Rote Äpfel vom Supermarkt
Bananen sind nicht die einzigen Klone im Supermarktregal. Man findet sie auch bei vielen Apfelsorten, deren Früchte fast alle gleich aussehen. [©Alexander Ruiz]/stock.adobe.com

Wie alles in der Natur sind auch Schädlinge und Pflanzenkrankheiten im ständigen Wandel, sodass der Anbau bestimmter etablierter Kulturpflanzensorten vielleicht irgendwann nicht mehr möglich ist. Umso wertvoller ist es dann, wenn eine breite Sortenvielfalt mit einem großen Genpool bereitsteht, auf die man im Notfall zurückgreifen kann. Im Hinblick auf den Klimawandel spielt der Erhalt samenfester Gemüsesorten ebenfalls eine wichtige Rolle. Alte Gemüsesorten wurden meist über lange Zeit lokal in Gärten gezüchtet und sind somit oft viel besser an regionale Klimaverhältnisse angepasst als die modernen Hybriden. So entstand eine Vielfalt, die unter verschiedenen Wetter- und Wachstumsbedingungen gedeiht.

Samenfestes Saatgut erlebt im Garten ein Comeback

Bio-Tomaten im Erntekorb
[©yanadjan]/stock.adobe.com

Im Garten erfreut sich der Anbau von alten und samenfesten Gemüsesorten in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, denn die Erfahrung zeigt, altbewährtes Gemüse bringt auch heute reiche Ernten. Dank guter Widerstandskraft und Resistenzen haben sie keine Abhängigkeit von chemischen Pflanzenschutzmitteln und gedeihen auch im Bio-Garten. Für die Küche bietet das Comeback alter Tomaten-, Salat- oder Karottensorten eine große Bereicherung. So gibt es jedes Jahr weitere Geschmacksrichtungen neu zu entdecken und mit den unterschiedlichen Formen der Früchte oder Knollen lassen sich bisher unbekannte Verwendungsmöglichkeiten für Gemüsearten finden. Mit dem Anbau von samenfesten Gemüse begibt man sich auf eine spannende kulinarische Entdeckungstour und leistet gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Sortenvielfalt.

Woher bekommt man samenfestes Saatgut?

Saatgut: Bohnen
[©Rawpixel Ltd.]/stock.adobe.com

Ob es sich um samenfestes Saatgut handelt, ist in der Regel auf der Packung vermerkt. Fündig wird man auch bei sogenannten Lokalsorten und alten gärtnerischen Zuchtsorten. Diese erkennt man oft an ihren Namen, die meist Bezug auf die Eigenschaften oder Herkunft der Pflanzen nehmen, wie z. B. „Gemüsepaprika Roter Augsburger“ oder einfach nur „Gelbe Rüben“. Viele Anbieter für Bio-Saatgut haben diese ebenfalls im Sortiment.

Es gibt einige bekannte Vereine und Saatgut-Hersteller, denen der Erhalt alter Kulturpflanzen und deren Vielfalt am Herzen liegt. Sie gehen auf die Suche nach den verschollenen und seltenen Sorten und machen sie für alle wieder verfügbar. Das Saatgut kann bei den Vereinen und Herstellern vor Ort erworben oder bei Fachhändlern über das Internet bestellt werden.

Bezugsquellen für samenfestes Saatgut

Der Verein ARCHE NOAH aus Österreich
Einer der bekanntesten Quellen für samenfestes Saatgut und alte Gemüsesorten ist der Verein ARCHE NOAH, der sich seit über 30 Jahren für den Erhalt der Kulturpflanzenvielfalt einsetzt. Hier geht’s zu ARCHE NOAH

Samen Maier GmbH aus Österreich
Das Familienunternehmen wurde 1967 von Herrn Maier gegründet und bietet ausschließlich samenfestes Saatgut für Blumen und Gemüse in Bio-Qualität an. Bei der Gewinnung wird auf künstliche Dünger und chemische Spritzmittel verzichtet.

Demeter
Der Saatgut-Hersteller Demeter bietet nur samenfestes Bio-Saatgut an, das nach den höchsten Qualitätsstandards des Öko-Landbaus gezüchtet wird.

Hinweis: Dieser Beitrag enthält Werbung.

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